Bemerkungen zu den Gemälden

Bemerkungen zu den Gemälden von Kazem Heydari

Das Werk des 1967 in Teheran geborenen, in Köln und dem Rheinland bis zu seinem Tod 2020 arbeitenden Malers Kazem Heydari weist einige kunsthistorisch interessante Aspekte auf, die eine nähere Beschäftigung mit ihm rechtfertigen. Unter den Gemälden sind vor allem zwei große Werkgruppen zu unterscheiden, nämlich einerseits die Acrylgemälde, die den Hintergrund teilweise in einer räumlichen Anlage, teilweise als Farbflächen bis zu einer ornamentalen Flächenstruktur farbig gestalten, dabei jedoch insbesondere die Personen als sehr lichte, Zeichnung frei lassen, und andererseits die Schriftbilder, bei denen Lesetexte und Hintergrund so eng miteinander verwoben sind, dass eine Differenzierung kaum möglich ist, dies bis in das rein Ornamentale geht.

Das Nebeneinander von Zeichnung und malerischer Ausgestaltung ist ein Leitmotiv weiter Teile des Werkes. Dabei baut die freie Zeichnung in ihren offenen Linien, die ganz auf Schattierungen oder Doppellinien verzichtet, oft nur sehr grob Binnenlinien andeutet, mit ihrem dezidierten Verweis auf die unmittelbare Gemachtheit eine Spannung zu den glatten Oberflächen der ohne erkennbaren Pinsel- oder Rollenduktus vorgestellten farbigen Hintergründe auf. Diese sind auch dort stark abstrahiert, wo Räume angegeben werden, erst recht bei den ornamentalen oder durch geometrische Flächen gebildeten Kompositionen. Das Nebeneinander von Zeichnung und farbiger Ausgestaltung findet sich in der Malerei relativ selten; ein Beispiel wäre David Hockney „Zwölf Portraits nach Ingres im einheitlichen Stil“ (1999/2000), wo aber auch die malerischen Flächen klar im Duktus des Farbauftrags angelegt sind. Die Gegensätzlichkeit beider darstellenden Techniken bei Heydari ist originell und dank ihrer Spannung interessant.

Motivisch werden Szenen mit Menschen oder urbane Räume mit Autos und Bussen seit etwa 2010 durch Tiere, Pflanzen und Gegenstände ersetzt, die einen stark surrealen Charakter einnehmen können Die Hintergründe werden ornamentaler, bekommen eine stärkere Eigenwertigkeit, die sich vom Abbildhaften immer wieder entfernt. Hier ändern sich auch die Zeichnungen, die teilweise ganz auf Binnenlinien verzichten, sondern jetzt immer wieder mit schattierenden Binnenformen Körperlichkeit andeuten, kleinteiliger werden. Manche Bildfindungen wirken jetzt zitathaft, die Farbflächen bekommen teilweise eine eigene Inhaltlichkeit, was aber der Spannung zwischen den beiden Techniken nicht reduziert. Die Farbflächen werden dadurch jedoch kleiner, die Arbeiten erscheinen so bunter.

Nach einer kurzen Phase, in der mit durch Silikongel gebundenem Pigment zeichnungsartig Lüster als Umrisszeichnungen abgebildet werden, beginnt um 2016 die Serie der Schriftbilder. Die anfangs eher kleinen Formate werden dann im Laufe der Zeit deutlich größer und schließen so an die Großformate der vorherigen Arbeiten an. Mit farbiger Schrift werden Texte in streng horizontaler, zeilengenauer Weise übereinandergeschrieben, was ihre Lesart erschwert, die zu Anfang durchaus noch gegeben ist. Diese Bilder verzichten auf jede Flächigkeit, werden auch schnell ungeordneter und damit in der Schriftanlage heterogener. Die Lesbarkeit verschwindet zunehmend und der Text wird zur ornamentalen Fläche, die aufgrund des Pinselduktus fast gestisch wirkt.

Schrift und Bild sind ein längst in die Malerei eingeführtes künstlerisches Mittel, in Deutschland spätestens seit Jörg Immendorfs „Hört auf zu malen“ (1966) auch als Kommentierung eigenen Tuns. Mit Schriftüberlagerungen im Sinn einer dynamischen Verdichtung arbeitet in den späten 1990er Jahren auch Astrid Klein beispielsweise bei „o.T. (leap into the void)“ (1999). Bei Heydari ist dies jedoch deutlich textorientierter, da die Worte zumindest anfangs auch gut lesbar waren, und bei den späteren Arbeiten immer noch partiell zu entschlüsseln sind. 2017 werden die Texte dann in so dichter Form vor weißem Grund übereinandergelegt, dass keine Lesbarkeit mehr gegeben ist. Hier sind bestenfalls noch Einzelbuchstaben als Hinweis auf eine textliche Grundlage zu identifizieren. Diese Arbeiten erklären sich vor allem aus der Werkgenese und den vorangehenden Stücken dieser Werkgruppe.

Das Werk von Kazem Heydari ist formal, worauf hier nur der Blick geworfen wurde, interessant und eigenständig. Es gibt kunsthistorische Parallelen, die jedoch andere künstlerische Lösungen vertreten, so dass hier eine Eigenständigkeit im Kontext gegeben ist. Das Werk steht ganz in der Tradition der Übertragung der Ästhetik der Pop Art in den malerischen Diskurs der 1980/90er Jahre, ist unverkennbar aber in seiner Zeit mit einer Hinterfragung medialer Formen als ästhetische Kategorien verhaftet. Es ist eindeutig im westlichen Diskurs verhaftet, hinter dem Aspekte orientalischer Kultur, wie sie die Schriftbilder darstellen und durch die Herkunft Heydaris vermutet werden könnten, ästhetisch vollkommen zurücktreten. Dank ihrer starken Farbigkeit sind die Arbeiten kraftvolle und selbstbewusste malerische Positionen, die durch weitere Ebenen zu einer Auseinandersetzung einladen. Es gibt eine erkennbare Entwicklung, wie mehrere Werkphasen, die unterschiedliche Aspekte fokussieren, was das Werk reichhaltig macht. Es wäre unbedingt wünschenswert, dass dieses Werk weiterhin ausgestellt wird und so mehr Beachtung findet.

Autor: Prof. Dr. Klaus Gereon Beuckers, Institut für Kunstgeschichte der Universität Kiel